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Die Kraft des Zunders

Tabea • Nov. 18, 2022

Erlebtes / Reflexion

Lesezeit: 4 Minuten

Vor ungefähr zwei Monaten sind Benni und ich in Uruguay angekommen und haben unser kleines gemietetes Häuschen bezogen. Voller Freude, ein neues "Zuhause" zu haben, haben wir angefangen dieses neue Heim zu gestalten. Um es am Abend warm zu haben, musste ein Feuer in unserem kleinen Ofen her. Wir kauften Feuerholz und lernten, dass die heruntergefallenen Pinienzapfen hier recht gut als Zunder dienen. Als Erlebnispädagogin sollte Feuer machen für mich kein Problem sein, so dachte ich. Aber irgendwie scheint es doch nicht immer so gut zu klappen. Da gibt es nämlich noch die Sache mit der Geduld. Nur zu gut erinnere ich mich, wie ich frustriert vor dem Ofen saß, wenn das Holz nicht so schnell Feuer fing, wie ich es wollte, wieder ausging und meine Bemühungen ins Leere liefen. Wieder mal hatte ich mir nicht die Zeit genommen, genügend Zunder vorzubereiten und regelmäßig kleine Holzstücke nachzulegen. Wieder einmal war das Holz feucht, sodass es nicht gut Feuer fing. Gutes Zundermaterial  vorzubereiten, auf die Sauerstoffzufuhr am Anfang zu achten, all diese kleinen Tipps, sie helfen - aber sie brauchen die ein oder andere Vorbereitung. Der Anfang ist oft schwer - regelmäßig schaue ich: Brennt es noch? Müsste ich etwas nachlegen? Braucht es noch Zunder? Und dann, endlich: Der Anfang scheint überwunden. Die guten Vorbereitungen haben sich ausgezahlt. Der Ofen hat eine gute Hitze entwickelt und neues Holz fängt schnell Feuer, die Funken springen über und entzünden das nachgelegte Holz. Nun brennt alles wie von selbst. Schnell entwickelt sich eine wohlige Wärme im Wohnzimmer und wir können den Abend im Warmen verbringen. Diesen Prozess zu beobachten, holt mich ab. Bringt mich oft zurück ins hier und jetzt. Lässt mich ruhig werden. Lehrt mich. Lässt mich innehalten und erkennen: Feuer braucht Zeit und eine gute Pflege, bis es von alleine brennt. Es braucht Geduld. Wenn es aber erst einmal brennt, springen die Funken über!


Kann es sein, dass dieses Bild des Feuers gerade ein Abbild, ein Gleichnis für die äußere Realität ist, die wir gerade in La Paloma erleben? Lass mich dich ein Stückchen mit in dieses neue Leben am anderen Ende der Welt hineinnehmen. Kennst du das? Du hast einen neuen Job, eine neue Aufgabe, stehst vor einer positiven Herausforderung, möchtest endlich loslegen, möchtest bildlich gesprochen "brennen". Doch es geht nicht. Irgendwie scheinen Widerstände im Weg. Das Feuer will noch nicht sofort brennen. Man hat doch nun alles, was man braucht für das neue Abenteuer! Dein Abschluss in der Tasche, die Familie an Board. Du willst loslegen, starten, gestalten, initiativ sein. Herzlich Willkommen alle I-Charaktere!
Ähnlich geht es uns. Wir wollen brennen, loslegen, starten! Aber nein, wie erleben die Bedeutsamkeit des Zunders hier, der sich im Bau von Beziehungen und Vertrauen ausdrückt, auf ganz besondere Art. Langsam tasten wir uns vorwärts. Wir erleben, dass wir beobachtet werden. Teamkommunikation funktioniert anders, als in Deutschland. Ein Freund sagt uns, dass Dinge hier Zeit brauchen, dass Dinge langsam wachsen. Und ja, uns scheint, dass die Uhr hier langsamer tickt. In uns werden die ersten Fragen laut: Wozu sind wir nochmal hier? Was machen wir hier eigentlich? Wir fühlen uns müde und schlapp. Erleben Widerstände und auch mal Gegenwind. Es fühlt sich an, als würde das Feuer noch nicht so ganz brennen. Wir fühlen uns fremd - und gleichzeitig absolut richtig da, wo wir gerade sind.


Ich halte inne - und erinnere mich an das Feuer. Es brennt noch nicht. Und das ist ok. Aber es ist dabei, sich zu entzünden. Guter Zunder muss gewählt und nachgelegt werden. Beobachte ich, was um mich herum, in mir geschieht? Ich erinnere mich daran, geduldig zu sein und da anzufangen, wo Jesus angefangen hat: Beziehungen zu leben. Beziehungen zu bauen. Präsent zu sein. Zu wissen, wozu er steht - und wozu er nicht steht. Ist das der Zunder in dieser Kultur? Irgendwie scheint sich hier viel um Beziehungen zu drehen. Egal, ob beim Einkauf im Baumarkt, im Team von Pater, und auch auf dem Wasser unter den Surfern und Surferinnen. Es geht um Beziehungen. Und diese brauchen Geduld. Sie müssen und dürfen gebaut werden. Sie scheinen Teil des Zunders zu sein. Ich setze mich vor die Glut und beobachte - lange kann ich dasitzen, beobachten und lernen. Vor allem in Geduld.


Schaue ich in die Bibel, sehe ich einen geduldigen Gott, der ganz liebevoll seine Saat der Geduld in mein Herz pflanzen möchte:


"Ihr seid von Gott auserwählt und seine geliebten Kinder, die zu ihm gehören. Darum soll jetzt herzliches Mitgefühl euer Leben bestimmen, ebenso wie Güte, Bescheidenheit, Nachsicht und Geduld."

(HFA: Kolosser 3,12)


Beschreibt dieser Vers nicht den Prozess des Feuer-machens? Ist nicht genau das nötig, um ein starkes, brennendes, wärmendes Feuer am Leben zu halten.

Herzen kennenlernen. Herzen gewinnen. Langsam etwas Feuerholz nachlegen. Das ist gerade unsere Aufgabe. Sie klingt klein, aber ich glaube sehr grundlegend. Geduld. Zeit geben... bis das Feuer eine gute Hitze entwickelt hat und die Funken überspringen!

Vielleicht ist dieser Blogartikel nur für mich, um mich zu erinnern, auf was es wirklich ankommt. Um still zu sein, um den Schatz im Beobachten neu zu entdecken, um mich daran zu erinnern, geduldig zu sein und rechtzeitig Zunder nachzulegen. Doch spreche ich mit mir wertvollen Menschen merke ich: Ich bin nicht alleine - die Sache mit der Geduld und dem Zunder, sie ist in so einigen Lebensbereichen zu finden. Daher glaube ich, dieser Artikel ist auch für Dich.

von Tabea 29 Feb., 2024
oder... ist das ein Gegensatz in sich?
von Tabea 08 Feb., 2024
Oder wie ist das eigentlich, an etwas zu bauen, das noch nicht sichtbar ist?
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